Kahlschlag in Steinebach

Die „Stade Zeit“ nennen Bayern und Österreicher die Zeit um den Jahreswechsel. Das gilt nicht für Bayerns Wälder. Ende Dezember haben die Kettensägen Hochsaison. Ein Kahlschlag in Steinebach. Am Steinberg fiel ein Schlag von einem halben Hektar Buchenwald den Sägern zum Opfer. Der Wald steht als „Schutzwald“ in der Karte. Daher hatte ich Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur informiert. Und die Forstbehörde Weilheim.
Kahlschlag 4

Forstwirtschaft im Landschaftsschutzgebiet. Foto: S. Bleek

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„Visuell ansprechender Erholungsraum.“ Foto S. Bleek

Kahlschlag 3

„Der wichtigste Klimaspeicher“. Foto: S. Bleek

Eine Buche mit dem selben Holzvolumen, also 3,4 m3, hat ein Trockengewicht von 1,9 Tonnen. Auch hier besteht die Hälfte des Holzkörpers aus Kohlenstoff, also rund 0,95 Tonnen Kohlenstoff. Dies multipliziert mit 3,67 ergibt 3,5 Tonnen CO2. Die Buche hat in ihrem Leben also 3,5 t CO2 gespeichert. Eine Buche mit dem gleichen Holzvolumen wie eine Fichte hat fast eine Tonne CO2 mehr gespeichert. Der Grund hierfür liegt in der höheren Holzdichte des Buchenholzes.

Wie viel CO2 speichert die Buche?, Stiftung Unternehmen Wald
Kahlschlag 6

„Schonende Bewirtschaftung“. Foto S. Bleek

„Gefahrbäume“ – endlich beseitigt. Foto: S. Bleek

Bewertung Holzeinschlag

Alter unter hundert? Foto S. Bleek

Jahresring 120 Jahre alter Stamm

Das Alter der gefällten Bäume: nur wenig hochwertige „Ware“. Foto: S. Bleek

Wildverbiss

Erst vom Wild verbissener dann zerstörter Nachwuchs. Foto: S. Bleek

Kleine Waldlichtung

Wenig Licht, schlecht gestufter Bestand. Foto: S. Bleek

Aufgerissener Waldbestand – anfällig für Windbruch. Foto: S. Bleek

Im Stadtwald Augsburg: Gestufter Mischwald mit Naturverjüngung. Foto: c/o Bleek

Schutzwald-Klassifizierung

Die Karte mit der Schutzwald- und Erholungswald-Klassifizierung. Quelle: Bayernatlas

Wo „Schutzwald“ drauf steht, ist nicht unbedingt „Schutzwald“ drin.

Als forstwirtschaftlich unbedarfter Bürger sollte man meinen, der abgeholzte Wald auf den nebenstehenden Bilder schützt nicht mehr viel. Und dass das daher so nicht gemacht werden sollte. Zumal das Waldstück auch Teil eines Landschaftsschutzgebietes ist, in dem nach § 26 Abs. 1 BNatSchG „ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist.“ und auch als „Erholungswald“ sowie als „Schutzwald für Immission, Lärm und lokales Klima“ nach Bundeswaldgesetz klassifiziert ist. Nach einem erholsamen Spaziergang in besonders geschütztem Naturraum und Landschaft sieht es hier nicht mehr aus.

Die Vorgaben der Behörden

Der Gesetzgeber findet gerne schöne Worte und setzt oft gute Vorgaben. So schreibt das Bundesamt für Naturschutz: „Der Landschaftsschutz schließt die Waldflächen ausdrücklich ein. Landschaftsschutzgebiete schützen nicht nur Naturlandschaften, sondern dokumentieren und sichern auch Kulturlandschaften, also land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiete, unter historischen und denkmalpflegerischen Aspekten. Dabei soll die Landschaft in ihrer vorgefundenen Eigentümlichkeit und Einmaligkeit erhalten werden.“ (…) “ In der Praxis bedeutet das, dass die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes abgesichert und die Regenerations- und Nutzungsfähigkeit der Naturgüter erhalten oder wiederhergestellt wird. Weiterhin sollen Landschaftsschutzgebiete auch als visuell ansprechender Erholungsraum dienen.“

Durch solche Worte motiviert, habe ich mich an das Forstamt Weilheim gewandt, mit der Bitte, der visuell wenig ansprechenden Holzaktion des privaten Waldbesitzers doch Einhalt zu gebieten und zumindest ein Gespräch zur Vermeidung solch drastischer Abholzmaßnahmen in der Zukunft zu führen. Wo doch unsere bayerische Forstministerin im Vorwort zu ihrem Waldbericht 2020 schreibt: Wälder sind der wichtigste Klimaspeicher, den wir haben. Deshalb kommt es darauf an, die Wälder auf Dauer intakt, stabil und vital zu halten, damit sie ihre Leistungen für den Klimaschutz optimal erbringen können. Das gelingt am besten durch eine schonende und vorausschauende Bewirtschaftung und Pflege.“ (Bayerische Forstverwaltung, Waldbericht 2020, Seite 3)

Anspruch und Wirklichkeit

„Schonende und vorausschauende Bewirtschaftung“ – so wie nebenstehend kann das aussehen. Ein Bekannter sprach angesichts der Bilder von „Forstwirtschaft mit der Handgranate“.

„Wälder spielen weltweit eine zentrale Rolle beim Klimaschutz, bei der Bereitstellung sauberer Luft und reinen Trinkwassers. Sie sind wichtig für die Biodiversität und als Lebensraum unserer heimischen Wildtiere. Sie schützen die Böden vor Erosion durch Wasser und Wind. Die hohe Wasserspeicherkapazität der Waldböden puffert Starkniederschläge ab und schützt somit von Hochwasser. Wälder sind ein bedeutender Faktor beim Lärmschutz (…). Gleichzeitig sind unsere Wälder ein intensiv genutzter Ort für Erholung, Freizeit, Sport und Tourismus. Diese sogenannten Ökosystemleistungen wirken sowohl direkt wie indirekt und sind für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung und das Wohl unsere Gesellschaft unverzichtbar. Die bayerischen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer berücksichtigen mit ihrer nachhaltigen und naturnahen Waldbewirtschaftung alle diese Belange. Trotzdem sehen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger die Pflege und Bewirtschaftung unserer Wälder kritisch, obwohl sie dem Wald und seinen Funktionen positiv gegenüberstehen.“ (Bayerische Forstverwaltung, Waldbericht 2020, Seite 32 – 33)

Der „dumme User“

Da fühlte ich mich ertappt. Der Waldspaziergänger, der einen Kahlschlag sieht und die „nachhaltige und naturnahe Waldbewirtschaftung“ nicht versteht. Aber es gab ja die Anfrage beim Forstamt. Es gab ja eine prompte und ausführliche Berichterstattung von SZ und Merkur. Groß war meine Ernüchterung, als das Statement des zuständigen Försters eintraf. Die gefällten Bäume seien „Gefahrbäume“ gewesen und aus Gründen der Verkehrssicherheit rechtzeitig (!) abgeschlagen worden.

Bewertung durch das Forstamt

In dem Waldgebiet „Am Steinberg“ wurden von zwei Waldbesitzern Hiebsmaßnahmen durchgeführt. Die räumlich getrennten Hiebsflächen belaufen sich auf Größen von ca. 0,3 ha und ca. 0,1 ha. Es wurden überwiegend Buchen und zum geringeren Teil Fichten eingeschlagen. Die Hiebe wurden nach Aussage der betroffenen Waldbesitzer v.a. durch ihre Verkehrssicherungspflicht für Waldbäume entlang der angrenzenden Weßlinger Straße, der Bahnlinie sowie der Wohnbebauung ausgelöst. Hier haften die Waldbesitzer vollumfänglich für alle Schäden, die von Bäumen mit erkennbaren Gefahrenmerkmalen ausgehen. Gefahrenbäume sollten daher im eigenen Interesse der Besitzer ebenso wie im Interesse der öffentlichen Sicherheit rechtzeitig entfernt werden. Die Hiebsmaßnahmen sind als ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung einzustufen und unterliegen keiner Anzeige- oder Genehmigungspflicht. Eine Einstufung als Immissions- und Lärmschutzwald hat hierauf keine Auswirkung.“

Gefahrenbäume einen kompletten Hang hinauf? So läuft das im bayerischen Wald. Ich habe den Beteiligten zuerst nur mit einer Glosse antworten können, die in der Rubrik „Zum Kuckuck“ nachgelesen werden kann. Und dann mit einem wirklichen Experten eine Begehung des Kahlhiebs unternommen.

Was ein Forstexperte meint

Ich wende mich an einen Freund und Bergkameraden aus Studienzeiten, der Professor für Forstwirtschaft geworden ist. Am Sonntag, den 17.1.2021 sind wir mit ihm durch das Waldstück an der Wörthseestraße gegangen. Sein Fazit zu der Abholzaktion besonders im linken unteren und im oberen Teil des Hangs: im größeren Teil der Fläche ist auch der Jungbestand an Buchen zerstört, eine Wiederaufforstung müsste im kommenden Herbst erfolgen.

Bereits länger andauernde Vernachlässigung

Der Forstkundler hat sich ausführlich mit den Jahresringen der abgesägten Stämme beschäftigt. Bei den meisten Buchen im unteren Teil des Grundstücks, deren Alter um die 100 Jahre liegt, ist ein starkes Wachstum bis etwa 1980 zu sehen, danach nimmt das jährliche Holzwachstum deutlich ab.

Eine Reihe von Stämmen weist Rotkern auf. Verlangsamtes Wachstum und Rotkern sind Zeichen dafür, dass der Waldbestand nicht richtig gepflegt wurde und schön länger keine optimalen Wachstumsbedingungen mehr geherrscht haben.

Planloses Wirtschaften

Die Bäume, die im oberen Teil des Hangs gefällt wurden sind deutlich jünger, nur etwa 60-80 Jahre alt gewesen. Daher eher früh gefällt. Sein Eindruck insgesamt eine schlecht geplante und wenig professionell ausgeführte forstliche Maßnahme, die kaum wirtschaftlichen Nutzen bringt. Das meiste gewonnene Holz habe nur Brennholzqualität, ist also nur mit großen Preisabschlägen verhandelbar. „WBV“ Waldbesitzerverein ist auf die Holzstapel gesprüht.

Problem Wildverbiss

Der an einigen Stellen wachsende Nachwuchs an dünnen „Buchenbabys“ ist stark durch Wildverbiss geschädigt, weshalb auch diese ganz jungen Bäumchen bereits ein Qualitätsproblem haben. Der etwa 5-6 Meter hohe Nachwuchs an der Kurve gegenüber der S-Bahn Brücke, wo vor vielleicht 20 Jahren abgeholzt wurde, sollte stärker gepflegt, d.h. vor allem gelichtet werden, damit sich die besten Bäume kräftig und gesund entwickeln können.

Ein Rat für die Zukunft

Da das Waldstück nun weitgehend kahlgeschlagen ist, sind wir in die noch stehenden Bestände Richtung Burgselberg gegangen. Hier bestätigt sich der Befund einer eher schlechten Beforstung. Der Bestand wurde nicht rechtzeitig ausgelichtet, damit Bäume jungen und mittleren Alters nachwachsen hätten können und sich die Altbäume weiter verstärken hätten können. Der Bestand ist kaum durchmischt, die Buche dominiert, einige andere Baumarten täten gut im Hinblick auf die Widerstandkraft gegen die Klimaerwärmung. Die Baumkronen sind eher klein, weil die Buchen zu dicht stehen und aus diesem Grund würde der Holzbefund vermutlich ähnlich ausfallen, wie beim gefällten Bestand. Schlechtes Wachstum in den letzten Jahrzehnten, geringere Holzqualität. Ein zu dicht stehender altersmäßig nicht gestufter Bestand, ein Zustand, der nur schwer korrigierbar ist.

Nicht nachhaltig bewirtschaftet

Vermutlich wurde hier immer zwischen Kahlschlag und Wachsen lassen oszilliert, jedenfalls keine systematische Waldpflege betrieben, wie sie die Forstbehörde und die Öffentlichkeit heute fordern. Jedenfalls müssten jetzt Inseln eingeschlagen werden, über die Licht an den Boden kommt, damit der Nachwuchs eine Chance hat, im Schutz der verbliebenen, sich dann ebenfalls wieder kräftiger entwickelnden Altbäume, rasch an Größe zu gewinnen. In diese Inseln wären auch angesichts des Klimawandels andere hitze- und trockenheitsresistentere Baumarten zu den Buchen dazuzusetzen: Beispiele wären Eiche, Bergahorn, Weißtanne, Küstentanne.

Offene Flanke

Ein weiteres Problem der zuletzt durchgeführten Maßnahme ist auch das Wegholzen des Randbewuchses von starken Buchen, weswegen Windböen in den verbliebenen Bestand einbrechen können. Allerdings steht der aufgerissene Wald nicht in der Hauptwindrichtung, sodass dieses Folgeproblem dem verbliebenen Wald vielleicht erspart bleibt.

Die Gemeinde könnte jedenfalls im Interesse des Erholungswertes und der Schutzfunktion der Waldstreifen vom Burgselberg bis hinter die Steinbergstraße auf die Waldbesitzer und das Forstamt zugehen und für eine nachhaltige Beforstung werben. Der Stadtwald Augsburg böte sich als Muster für einen solchen anzustrebenden Waldbestand an. In den vergangenen Jahren wurde nach Aussage von Steinebachern bereits an mehreren Stelle des Waldrückens massiv eingeschlagen und ein Grundstück sogar verbotenerweise gerodet. Welche Folgen ein „weiter so“ haben kann, mag die folgende Fotomontage verdeutlichen.

Was getan werden könnte

Die Gemeinde könnte im Interesse des Erholungswertes und der Schutzfunktion der Waldstreifen im Gemeindegebiet auf die Waldbesitzer und das Forstamt zugehen und für eine nachhaltige Beforstung werben. Der Stadtwald Augsburg böte sich als Muster für einen solchen anzustrebenden Waldbestand an. In den vergangenen Jahren wurde nach Aussage von Steinebachern bereits an mehreren Stelle des Waldrückens massiv eingeschlagen und ein Grundstück sogar verbotenerweise gerodet. Welche Folgen ein „weiter so“ haben kann, mag die folgende Fotomontage verdeutlichen.

Nachtrag: Waldzustandsbericht 2020

Soeben hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den neuen Waldzustandsbericht vorgelegt. Die Ergebnisse sind alarmierend. „Noch nie waren so viele Erhebungs-Bäume abgestorben wie 2020.“ Und: „Vier von fünf Bäumen haben lichte Kronen, konkret: …. 89 Prozent der Buchen.“ Milliarden werden daher locker gemacht, um die Wiederaufforstung zu subventionieren. Ich will nichts unterstellen, aber ein steuerfinanzierter Geldregen könnte allerdings auch Mitnahme Effekte in Form der Fällung von „Gefahrbäumen“ auslösen. Allerdings erlöst man derzeit, wie der Münchner Merkur schreibt, tatsächlich kaum Geld für Holz. „Der Markt ist überschwemmt, die Preise für Rundholz sind katastrophal niedrig“, erklärt Armin Elbs, Forstdirektor der Grafen Toerring laut Münchner Merkur.

„Aber ausgerechnet in der derzeitigen Situation bräuchten die Waldbauern finanzielle Mittel, um die durch Trockenheit, Käferbefall und Stürme ausgelichteten Flächen wieder mit verschiedenen, widerstandsfähigen Baumarten zu bepflanzen. „Investitionen für die Aufforstung sind bei den Holzpreisen nicht möglich, das ist extrem teuer“, sagt Elbs. Deshalb ist Fink froh, „dass der Staat reagiert hat und uns mit Zuschüssen unterstützt“.

Jedenfalls sind die Folgen der sehr trockenen Sommer seit 2015 im Oberland vergleichsweise milde, da es hier deutlich mehr geregnet hat. In den deutschen Mittelgebirgen dagegen sterben ganze Wälder großflächig ab. Die Waldbauern in unserem Gebiet sollten um so behutsamer mit ihrem Bestand umgehen. Wir vermuten, dass es nur mit einem Umbau der Waldflächen in gestufte Bestände von unterschiedlichen Generation und Arten eine Überlebenschance geben wird. Daher ist ein Kahlschlag nach Meinung vieler Experten eine falsche Maßnahme. Es wird jetzt Jahrzehnte dauern, bis sich wieder ein Wald gebildet haben wird, der seinen Namen verdient.

Text und alle Fotos: Stephan Bleek, Montage S. Bleek

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Es wäre gut, wenn die Umweltbeauftragten von Gemeinde und Kreis sich stärker bemerkbar machen, es handelt sich auch um die Bewahrung des Landschaftsschutzgebiets. Noch dazu fällt mit jeder großen Buche ein Aktivposten in der Co2 Bilanz aus. Wir brauchen mehr, nicht weniger Bäume im Kampf gegen den Klimawandel. Eine Gemeinde im selbsterklärten „Klimanotstand“ sollte dies berücksichtigen.